Wirtschaftliche Supermacht des Mittelalters
Heute sind wir es gewohnt, Waren aus allen Teilen der Welt jederzeit und überall einkaufen zu können. Rund um den Globus werden Waren jeglicher Art transportiert. Doch – das war nicht immer so. Gefährliche Handelswege, unterschiedliche Währungen und zahlreiche Zollstätten schränkten einst den Handel ein.
Die Folge: Im 12. Jahrhundert schliessen sich Kaufleute zusammen. Zum Schutz der unsicheren Handelswege zu Land und auf See. Nach und nach handeln sie Privilegien aus. Und so bildet sich, zunächst als Zusammenschluss von Kaufleuten, später von Städten, die Deutsche Hanse. Das Ziel: Profit. Sie wird zur wirtschaftlichen Supermacht im Mittelalter, von Brügge bis weit in den Osten. Immer mehr Städte schließen sich an. Das Zentrum ist Lübeck.




Dennoch: die Hanse ist keine Gemeinschaft mit Gesetzen und Grenzen. Eher die Frühform des modernen Kapitalis-mus und gleichzeitig von Globalisierung.
Das Wort ‚Hanse‘ stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutet soviel wie ‚Gefolge‘ oder ‚Gruppe‘.
Es werden Hansetage zusammengerufen, auf denen Beschlüsse, sogenannte Rezesse, verabschiedet werden. Es gilt der Grundsatz: „Ehre ind Gelofen - Ehre und Glaubwürdigkeit“, das Fundament ihrer Geschäfte. In manchen Städten entstehen Kontore. Außenposten der Hanse.
Zur Deutschen Hanse gehört seit 1407 auch Wesel
Doch die Aufnahme war beschwerlich. Es ist ein Septembertag des Jahres 1406, als der Weseler Bürgermeister Johann von Orsoy, Altbürgermeister Thomas Stecke und Ratsherr Lambert von Orsoy ein Schiff besteigen, das rheinabwärts fährt. Ihre Reise geht nach Amsterdam. Dort nämlich halten sich hansische Gesandte auf. Diesen trugen die Weseler ihre Bitte um Aufnahme in die Deutsche Hanse vor. Die Weseler ließen es nicht daran fehlen, den Lübecker Gesandten und Ratsherrn ihre Aufmerksamkeit durch Zusendung eines kostbaren Hechtes zu erweisen. Das Gesuch fand bei den hansischen Herren ein geneigtes Ohr. Und so kam es, dass im April 1407 seitens der Hanse über die Aufnahme u.a. von Wesel verhandelt wurde.
Der Prior des Weseler Dominikanerklosters Heinrich van Essen bricht im Auftrag des Rates zur Reise nach Lübeck auf, um dort die Werbung um Aufnahme Wesels in die Hanse fortzusetzen. Zwei Monate ist er unterwegs, bis er schließlich sein Anliegen vortragen kann, erfolgreich!
Der Hansetag in Lübeck bevollmächtigt schließlich im Mai 1407, die nach Holland gesandten Vertreter, über die Aufnahme Wesels und Duisburgs zu entscheiden. Und so fuhren der Weseler Bürgermeister, Altbürgermeister und Ratsherr nochmals nach Holland, bis sie schließlich zusammen mit Duisburg die Aufnahme ihrer Städte in die Deutsche Hanse erlangten.


Die Blütezeit
Wesel hatte bereits vor der Hanse eine lange Entwicklung seines Handels hinter sich. Doch erst nach der Aufnahme erlebt die Stadt ihre große Blütezeit. Die Deutsche Hanse entwickelt sich zu einer wirtschaftlichen Supermacht und davon profitiert Wesel.
Nach Westfalen gingen Salz, Wein, Fisch, oft auf kleinen Schiffen auf der Lippe. Pelze kamen aus dem Osten. Tuch aus dem heimischen Gewerbe wurde umgesetzt. Auch auf niederländischen Märkten, wie Deventer war „Weseler Tuche“ bekannt. Es lässt sich sogar bis in die Gebiete der Ostsee verfolgen.
Der Hauptverkehrsweg ist natürlich der Rhein. Meist mit Köln als Ziel. Dort liegt der große Umlade- und Stapelplatz des Westens. Dieser Handel prägt das Stadtleben Wesels. Die Großhändler haben das Stadtregiment in der Hand. Wesel geht es gut, sehr gut. Und das darf gezeigt werden: so entsteht 1457 das Rathaus, dessen Fassade heute rekonstruiert ist.1498 bis 1540 wurde der Willibrordi-Dom auf fünf Kirchenschiffe erweitert. Die östlich gelegene Vorstadt Mathena wurde bereits 1434 ummauert.


Wesels Rolle im Bund
Zu Handelsfragen waren immer wieder Verhandlungen notwendig, gerade zwischen den westlichen Hansestädten und so entstand unter ihnen ein engerer Zusammenschluss. Die Westfälische Hanse, das sogenannte „Kölner Drittel“. Die Stadt Deventer lud 1447 die Städte in ihre Mauern ein und man beschloss, derartige Treffen zukünftig regelmäßig neben den großen Hansetagen in Lübeck stattfinden zu lassen.
Köln lud nach Differenzen mit Lübeck die westlichen Hansestädte 1458 nach Wesel ein. Es folgte eine lange Reihe derartiger Treffen, den sogenannten „Drittelstagen“. Bis Anfang des 17. Jahrhunderts fanden diese Zusammenkünfte statt, meist in Wesel. Ein Ausdruck seiner Bedeutung.
Aber - warum Wesel? Köln schrieb, „von allerwärts am besten erreichbar. Wesel sei zu allen Teilen ins Mittel gelegen. Auch liegt es an der so oft gerühmten Gastfreundschaft, der Vesalia hospitalis“. Zahlreiche Abschriften der an diesen Treffen gefassten Beschlüsse verwahrt das Stadtarchiv Wesel noch heute.
Wesel wusste seine Rolle als Gastgeber der Drittelstage zu schätzen. Das zeigte sich auch in der Bewirtung. Schon während der Sitzungen konnten sich die Teilnehmer an Wein, Bier, Brot und Früchten stärken.
Nach getaner Arbeit, an den Abenden wurde auf Kosten der Stadt ein Ehrentrunk gereicht, wobei der Bürgermeister und die Ratsherren nicht fehlten. Vor allem an Wein, dem vornehmsten Handelsgut der Weseler wurde nicht gespart. So waren diese Drittelstage mit erheblichen Kosten für die Stadtkasse verbunden.


Der Niedergang
Lang währte die Zeit des Handels und Wohlstandes. Doch der Beginn des spanisch-niederländischen Krieges zum Ende des 16. Jh. zwang Wesel aber mehr und mehr, wie auch andere westliche Städte, eine passive Rolle in der Hanse einzunehmen.
Der Verfall der Deutschen Hanse hatte begonnen, nicht zuletzt durch den 30-jährigen Krieg. Bis 1628 fanden in Lübeck Hansetage statt. Von da ab erlebten die Weseler durch das Ausbleiben jeglicher Mitteilung seitens der Hanseatischen Leitung mit, wie das Leben im Bunde infolge des immer mörderischer wütenden Krieges völlig zum Erliegen kam, erhielten Kunde von dem letzten Aufflackern des hansischen Gedankens kurz nach dem Westfälischen Frieden und schließlich 1669 in der Zusammenkunft der Vertreter einiger Hansestädte in Lübeck, nach der das längst morsche Gebäude der Deutschen Hanse endgültig in sich zusammenstürzte.“
Die Neue Hanse
Nun – mehr als 400 Jahre prägte die Hanse Wirtschaft, Handel und Politik im nördlichen Europa. Das ist nun dreieinhalb Jahrhunderte her.
1980 knüpft man an die Tradition an und gründet die Neue Hanse oder einfach Die Hanse als Lebens- und Kultur-gemeinschaft der Städte über die Grenzen hinweg.
Heute geht es um Zusammenarbeit, Austausch und die Förderung des Tourismus. Mittlerweile gehören ihr fast 200 Städte in 16 Ländern an. Auch die Hansestadt Wesel
Durch die Fußgängerzone zieht sich ein Band, auf dem 185 Städte der Neuen Hanse verzeichnet sind.
Die Hanse-Gilde Wesel
Mit der Hanse-Gilde lebt die Tradition der Hanse in Wesel weiter. 1997 gegründet versteht sie es, in Form kultureller Veranstaltungen und Stadtführungen die Geschichte der Hanse, besonders in Wesel, lebendig zu halten und einer breiten Bevölkerung nahezubringen. Sie ist u.a. Mitveranstalter des Hansefestes, der Kulturnacht, veranstaltet Lesungen.
Jährlich am letzten Oktoberwochenende findet hier das Historische Hansefest statt. Fast die ganze Stadt ist auf den Beinen mit Musik, Kleinkünstlern, einem großen Umzug und einem Mittelaltermarkt. Verschiedene Hansestädte präsentieren sich mit ihren Produkten, getreu dem Motto „Vesalia hospitalis".
Mit ihrem großen Fundus an historischen Gewandungen weit über die Hansezeit hinaus beteiligt sich die Hanse-Gilde an Filmprojekten mit historischen Inhalten.


Der Film
vermittelt die Geschichte dieser mittelalterlichen Wirtschaftsmacht, der modernen Hanse und die Rolle Wesels einer breiten Öffentlichkeit. Dabei wird die Hanse-Gilde Wesel e.V. mit ihren Aufgaben und Tätigkeiten ausführlich vorgestellt.
Fast 2 Jahre wurde gemeinsam mit Justin Weller und Ludwig Maritzen recherchiert, diskutiert, verschriftlicht, auch wieder verworfen und neu aufgesetzt. Ein bildgewaltiges Epos ist hier entstanden. Eine Herrschar von Akteuren in historischen Kostümen zeigen die Geschichte der Hanse in Wesel auf. Von der Aufnahme der Stadt in diesen Städtebund, der Blütezeit, dem Untergang, dem Wiederauferstehen in der Neuen Hanse und der Hanse-Gilde in Wesel.
Gedreht wurde natürlich in Wesel. Alte Gewölbekeller wurden aufgesucht und für einen Hansetag umgerüstet. Die Kasematte aus preußischer Zeit musste ebenso herhalten. Aber nicht nur Wesel: In Kampen/Niederlande fand sich ein Verein, der originalgetreu eine Hansekogge rekonstruiert und fahrtüchtig gemacht hat. Ein idealer Schauplatz. Selten hat eine Produktion so viel Spaß gemacht, selten waren so Viele dabei, selten wurde an so vielen Orten gedreht. Danke an die Hanse-Gilde Wesel und dem Förderer, die Niederrheinische Sparkasse RheinLippe.
Filmpremiere war am 16. Mai 2025 in der Aula der Musik- und Kunstschule in Wesel.